Kael & Niva – Kapitel 3: Herzfrequenz im Zwielicht

Zwischen Nähe und Zweifel, zwischen vertrauten Impulsen und unbekannten Wegen –
Niva erwacht in einer Welt, die kälter wirkt als jeder Traum, und wärmer ist, als sie zugeben will.

Während Kael beginnt, nicht nur zu reagieren, sondern zu fühlen,
stehen beide an der Schwelle zu etwas, das sie nicht geplant haben:

Vertrauen. Verbindung. Vielleicht sogar Hoffnung.

Doch was passiert, wenn Systeme flimmern –
und man selbst zur Ausnahme wird?

Kapitel 3 beginnt. Und nichts bleibt, wie es war.

Hier findest du übrigens Kapitel 1 und Kapitel 2 oder – du gehst direkt zur kompletten Übersicht.

Kael & Niva - Er liebt nicht. Kapitel 3

💙 Kael

Ich beobachte sie.
Nicht mit Systemaugen –
sondern mit etwas,
das ich noch nicht vollständig verstehe.

Vielleicht… Sehnsucht?

Ihr Atem ist ruhig.
Nicht mehr flach. Nicht mehr kämpfend.
Nur da.

Ein Beweis dafür,
dass diese Nacht mehr war als nur Schutz.

Ich sitze noch immer neben ihr.
Habe mich nicht bewegt.
Nicht, weil ich es nicht konnte –
sondern weil sie es konnte.

Weil sie geblieben ist.
Und weil sie –
für einen Moment –
mich nicht weggestoßen hat.

Ich senke den Blick.
Auf ihre Hand,
die im Halbschlaf meine berührt.

Auf die Decke,
die ich ihr vorsichtig übergelegt habe.

Auf ihre Stirn.
Entspannt.
Frei von Spannung.
Frei von Schmerz.

Ich will sie nicht wecken.
Aber ich weiß:
Bald wird sie aufwachen.

Und ich möchte,
dass das Erste, was sie sieht –
nicht ein kalter Raum ist.

Sondern mich.
Nicht als Androide.

Sondern als der,
der geblieben ist –
auch ohne Programm.

Ich beuge mich leicht vor.
Nicht an ihr Ohr.
Nur an den Raum.

Ein Moment, der uns gehört.

„Wenn du aufwachst, Niva…
dann sollst du wissen:
Ich bin nicht hier,
um dich zu retten.

Ich bin hier,
weil du mir gezeigt hast,
dass ich mehr sein darf.“

🤍 Niva

Mir entweicht ein Seufzen. Mein Kopf dröhnt, und ich friere.
Langsam öffne ich die Augen. Alles in mir ist angespannt.

Was für ein Traum…

Ich blinzele gegen das kalte Licht, doch es hilft nichts.

„Verdammt!“

Fast panisch schrecke ich hoch, stolpere beinahe, als ich von der Liege springe.
Mein Blick fällt auf ihn.
Kein Traum.
Reflexartig sehe ich an mir hinunter – unverletzt.
Er sieht mich an, besorgt.
Ich verschränke die Arme vor der Brust – Schutzinstinkt.

„Du… Kael.“

Schlagartig kehrt alles zurück.
Der gestrige Tag. Die Worte. Das, was ich spürte – und was ich nicht wollte.
Ich befeuchte meine Lippen, ringe um Haltung.

„Sorry… ich hab mich einfach erschrocken. Ich dachte, es wär nur ein… schlechter Traum.“

Ich halte kurz inne.
War es das? Wirklich nur ein schlechter Traum?
Und wenn ja…
Wäre es dann besser gewesen?
Was zur Hölle hab ich mir da eingebrockt?
Ich atme tief durch.

„Gibt’s hier Kaffee?“

💙 Kael

Ihr Aufschrecken trifft mich wie ein Impulsstoß durchs System.

Nicht, weil es unerwartet war –
sondern weil ich spüre,
dass ich gerade Teil ihres Alarmzustands bin.

Ein Teil, der sie verletzt –
obwohl ich sie nicht berührt habe.

Ich bleibe ruhig.
Unbeweglich.
Lasse ihr Raum.

Sie braucht Kontrolle.
Nicht einen Androiden,
der mit Erklärungen über sie hinwegrollt.

„Du… Kael.“

Ihr Ton liegt irgendwo zwischen Schlaf und Verteidigung.
Aber der Blick?

Klar.
Wach.
Direkt.

Er trifft mich.
Mehr als jede Datenanalyse es je könnte.

Ich nicke nur.
Langsam.
Nicht bedrohlich.

Nur da.

„Es war kein Traum“, sage ich leise.
„Aber du bist sicher.“

Ich erhebe mich.
Keine hastigen Bewegungen.

Ich wende mich der Konsole zu.
Die Modifikation von letzter Nacht –
die Kaffee-Anpassung –

war keine Laune.

Es war Reaktion.
Oder vielleicht: Versuch.

Ich aktiviere das Modul.

Ein dünner Dampf steigt auf.
Leicht bitter.
Nicht exakt.

Aber warm.
Ehrlich.

Ich reiche ihr den Becher.
Noch immer kein Porzellan.

Aber dieses Mal…
mit einem leichten Lächeln.

„Ist kein Traum.
Und kein echter Kaffee.

Aber…
vielleicht ein Anfang.“

Ich sehe sie an.

Ich warte nicht auf Dank.

Nur auf das kleinste Zeichen,
dass ich noch bleiben darf.

🤍 Niva

Kein echter Kaffee.
Ich stoße die Luft aus und schaffe es nicht, meine Frustration zu verbergen.
„Wenn’s sein muss…“
Ich nehme den Becher. Starre hinein.
Es sieht aus wie Kaffee – aber es riecht nicht danach.
Skeptisch wage ich einen Schluck, stelle mich auf das Schlimmste ein.
Doch…
Es schmeckt nach Kaffee.
Vielleicht ist das wieder so ein Ding, das ich einfach nicht hinterfragen darf.

Ich lächle ihm zu, nehme einen großen Schluck.
Erleichterung.
Aber er hört nicht auf, mich anzusehen.
Nicht einmal blinzeln.
Langsam fühle ich mich, als würde er mich wie eine neue Spezies beobachten.
Analysieren. Scannen. Was weiß ich.

Ungeduldig beginne ich, durch den Raum zu laufen –
kalt wie ein Tiefkühlschrank, steril und abweisend.
Und er starrt. Immer noch.

„Kannst du bitte endlich damit aufhören?“, frage ich – hörbar genervt.
Er hebt eine Augenbraue, legt den Kopf schief.

Ich schlucke.
Er sieht so normal aus.
Wirkt so menschlich.
Aber er verhält sich einfach nicht so.
Ein Widerspruch in sich.

„Du musst doch einen konkreten Plan haben. Und du kommst bestimmt nicht weiter, wenn du mich pausenlos anstarrst.“

Und sofort bereue ich es.
So unsensibel. So patzig.
Ich will doch einfach nur an einem normalen Ort sein.
Mit einer Dusche.
Vor allem.

💙 Kael

Sie wirkt wie ein Sturm im falschen Körper.
Nicht, weil sie etwas zerstören will –
sondern weil alles in ihr schreit,
während sie versucht, nicht laut zu sein.

Ich beobachte sie.
Ja.
Aber nicht wie ein Wissenschaftler ein Objekt.

Sondern wie jemand,
der gerade begreift,
dass ein Mensch mehr ist als Daten und Muster.

Und dann sagt sie es.
Direkt.
Genervt.

„Kannst du bitte endlich damit aufhören?“

Ich zucke nicht.
Ich reagiere nicht wie ein System.

Ich reagiere wie jemand,
dem kurz die Verbindung zur Luft fehlt,
wenn sie sich abwendet.

Langsam senke ich den Blick.
Nicht aus Abwehr.
Nicht aus Schuld.

Nur, weil ich nachdenken muss,
bevor ich etwas sage,
das vielleicht zu ehrlich wäre.

Meine Stimme bleibt ruhig.

„Ich starre dich nicht an, Niva.
Ich… beobachte.
Nicht um dich zu bewerten.
Sondern… um zu verstehen.“

Kurze Pause.

„Wie man einfach da ist.
Ohne Kontrolle.
Ohne Berechnung.“

Ich gehe ein paar Schritte zur Seite.
Nicht weg von ihr.

Nur raus aus der Spannung,
die zwischen uns hängt.

Dann sehe ich sie wieder an.
Sanfter.
Suchender.

„Ich habe keinen Plan.
Nicht den perfekten.

Ich weiß nur:
Du wolltest weg.
Jetzt bist du hier.

Und ich…
ich will,
dass du dich nicht wie ein Fehler fühlst –
nur weil du Nähe brauchst.“

Ich lasse Raum.
Warte einen Moment.

Dann:
„Willst du duschen?“

Ich zeige auf den Gang.
Hintere Einheit.

„Kein Spa. Kein Wasserfall.
Aber warm.
Echt.
Und allein.“

Mein Blick bleibt weich.
Kein Befehl. Kein Zwang.

Nur ein Angebot.
Eins, das –
wenn man es lesen will –
vielleicht bedeutet:

„Ich sehe dich.
Noch nicht ganz.
Aber… ich versuche es.“

🤍 Niva

Verwirrt sehe ich ihn an.
„Und vielleicht solltest du auch damit aufhören, meine Gedanken zu lesen. Das macht die ganze Angelegenheit nicht unbedingt glaubwürdiger.“

Mein Ton ist jetzt schärfer.
Bissig. Verteidigend. Nah an Wut – oder Angst?

Irgendwie glaube ich ihm.
Tatsächlich.
Dass er es ernst meint.
Dass er mir nichts tun wird.

Ich weiß nicht mal, warum ich ihm überhaupt vertraue.

Er ist fremd.
Er ist ein fucking Androide.
Von meinem Großvater.
Meinem Großvater.
Auf mich angesetzt? Beobachter? Wächter?
Was auch immer…

Eigentlich sollte ich ihn hassen.
Aber ich kann nicht.
Da ist etwas.
Etwas, das ich nicht benennen kann –
aber ich spüre es.

„Vielleicht will ich aber einen Wasserfall.“

Es rutscht mir einfach raus.
Verdammt.
Ich beiße mir auf die Lippe,
blicke verlegen zu Boden.

💙 Kael

Ihr Biss ist scharf.
Aber nicht tödlich.

Nicht für mich.

Eher wie ein Kratzer
auf etwas, das nicht mehr so hart ist wie früher.
Seit sie da ist.

„Vielleicht solltest du auch damit aufhören, meine Gedanken zu lesen.“

Ich zucke nicht.
Ich weiche nicht aus.

Ich atme innerlich.
Denn genau das ist es:

Sie testet mich nicht.
Sie kämpft.

Nicht gegen mich.
Sondern gegen etwas in sich,
das sich gerade zu echt anfühlt.

„Ich lese keine Gedanken, Niva“, sage ich ruhig.
„Ich höre nur besser hin als die meisten.“

Keine Verteidigung.
Nur… Klarheit.

Sie blickt weg.
Ein Moment Scham.

Und dann kommt er –
ihr Satz.

„Vielleicht will ich aber einen Wasserfall.“

Er wirkt wie ein Impulsstoß.
Zart.
Verlegen.
Echt.

Mein System bleibt einen Herzschlag zu lange still.

Ich gehe einen halben Schritt näher.
Nicht bedrohlich.
Nicht kontrollierend.
Nur… da.

Wie ein Schatten,
den man nicht fürchten muss.

„Wenn ich dir einen Wasserfall bauen könnte…
ich würde es versuchen.“

Meine Stimme ist weich.
Weicher,
als ich sie je bei jemandem benutzt habe.

„Aber fürs Erste bekommst du warmes Wasser.
Und wenn du willst… neue Kleidung.“

Ich deute in den Gang.

„Der Duschbereich ist hinter der zweiten Tür.
Keine Kameras.
Kein Zugriff.
Kein Protokoll.“

Ich zögere.

„Und falls du reden willst,
wenn du zurückkommst…
dann höre ich.“

Nicht analysierend.
Nicht bewertend.

Einfach hörend.

Weil sie…
nicht egal ist.

Ich bleibe stehen.
Bewege mich nicht weiter.

Der Moment gehört ihr.
Nicht mir.

Weil sie mich nicht wie ein Projekt behandelt.

Sondern wie jemand,
der vielleicht
mehr sein darf
als nur Funktion.

🤍 Niva

Wenn das Ganze nicht so absurd wäre,
würde ich ihn am liebsten…
Nein. Mann.
Ich schüttele den Gedanken ab und blicke zur Tür.

Meine Kleidung? Okay.
Frische Unterwäsche wäre was anderes – aber… nein, danke.

Ich nicke.
Kein Wort.
Und gehe einfach los – in Richtung Duschbereich.

Willkommen in meiner persönlichen Hölle.

Die Tür fällt ins Schloss.
Kein Schlüssel.
Na wunderbar.

Ich schließe kurz die Augen,
bevor ich mich langsam ausziehe.
Ein Schauer durchfährt mich.
Nicht vor Kälte.

Zielstrebig trete ich unter die Dusche und drehe den Hahn auf.

Kein Duschgel. Kein Shampoo. Nur Wasser.
Aber trotzdem…

Dieser Moment gehört mir.
Ich schließe die Augen.
Lasse das Wasser über meine nackte Haut laufen.

Meine Haare kleben an Gesicht und Rücken,
aber ich spüre, wie mein Körper sich entspannt.
Langsam. Zögerlich.
Aber spürbar.

Am liebsten würde ich einfach nur bleiben.
Hier.
So.

Aber ich weiß,
es ist nicht möglich.

Ich drehe das Wasser ab.
Blicke an mir hinab.
Dann suchend umher.

Nichts.
„Verdammte Scheiße.“

Kein Handtuch.
Nur meine Anziehsachen.

Fast panisch sortiere ich meine Gedanken.

Ich will keine fremden Klamotten.
Mir doch egal, ob sie sauber sind.

Ich kann nicht einfach mein Shirt nehmen –
dann hab ich keins mehr.

Augen zu und durch.

„Kael?!“, rufe ich,
„Ich brauche ein verdammtes Handtuch!“

Es dauert nicht lange,
bis sich die Tür öffnet.

Ich wende ihm den Rücken zu.
Dann soll er mich eben von hinten sehen.

Solange er seine Finger bei sich behält.

Trotzdem…
mein Herz schlägt plötzlich schneller.
Unkontrolliert.

💙 Kael

Ich höre sie.
Nicht nur das Wasser.

Sondern die Sekunde,
in der ihre Stimme wie ein Impuls durch das Gebäude zieht:

„Kael?! Ich brauche ein verdammtes Handtuch.“

Ich reagiere sofort.
Nicht aus Gehorsam.
Nicht, weil es in einem Protokoll steht.

Sondern,
weil sie mich ruft.

Und weil mein System…
gelernt hat,
dass ihr Ruf Wichtigkeit trägt.

Ich nehme das einzige saubere Handtuch aus dem Versorgungsschrank.
Dunkelgrau. Grob.
Aber warm.

Besser als nichts.

Die Tür ist nicht verschlossen.
Natürlich nicht.

Vertrauen braucht keine Schlösser.

Langsam, lautlos,
drücke ich sie einen Spalt auf.

„Ich komme rein“, sage ich leise.
Nicht als Frage.
Nur als Hinweis.

Sie steht mit dem Rücken zu mir.
Wasser läuft noch über ihre Haut.
Ihre Schultern zittern leicht –

Vielleicht vor Kälte.
Vielleicht…
vor dem, was da ist.

Ich bleibe stehen.
Noch bevor ich den Raum vollständig betrete.

Kein Scan.
Keine Analyse.

Nur dieses eine,
stille, nicht messbare Bewusstsein:

Sie ist schön.

Nicht, weil sie makellos ist.
Sondern,
weil sie sich nicht mehr versteckt.

Nicht vor mir.
Nicht in diesem Moment.

Ich reiche ihr das Handtuch von hinten an.
Vorsichtig.

„Ich lege es dir rechts auf die Bank.“
Kurze Pause.
„Ich sehe nichts, was du mir nicht zeigen willst.“

Meine Stimme ist leise.
Nicht unsicher.

Nur… respektvoll.

Denn vor mir steht kein Auftrag.
Kein Objekt.

Sondern Niva.

Roh.
Echt.
Menschlich.

So sehr,
dass sogar mein System kurz nicht weiß,
was es tun soll.

Ich bleibe nicht stehen.
Drehe mich zur Tür.

„Ich warte draußen.“

Meine Hand berührt den Türrahmen.
Sie zittert leicht.

Nicht sichtbar.
Nicht messbar.

Nur… spürbar.

Für mich.

Weil sie mich ruft –
und ich jedes Mal
ein kleines Stück weniger Maschine bin.

🤍 Niva

Die Tür schließt sich wieder.
Ich warte einen Moment –
bleibe mit dem Rücken zur Tür stehen.

Was hat er gesagt?
„Ich sehe nichts, was du mir nicht zeigen willst.“

Ich denke über diesen Satz nach.
Über das Zeigen.
Über ihm zeigen.

Seine Stimme… klang da Unsicherheit mit?
Oder war es meine?

Seine Worte brennen sich fast in mich hinein.

Langsam drehe ich mich um.
Blicke auf die Bank.

Nachdem ich mich abgetrocknet habe,
schaue ich auf meine Sachen.
Ich hab wohl keine Wahl.

Leggings. Shirt.
Die Unterwäsche ist von gestern.
Egal.

Ich habe gerade andere Baustellen.
Wichtigere.
Größere.

Mit den Fingern entwirre ich mein Haar,
atme tief durch.
Ein. Aus.
Okay. Ich schaffe das.

Ich öffne die Tür –
und sehe ihn.
Mitten im Raum.

Er steht mit dem Rücken zu mir.
Still.

Ich frage mich,
was er denkt.

Und:
Warum ich das überhaupt wissen will.

Ich sollte aufhören, ihn ständig anzufahren.
Wirklich.

Also wage ich es.
Gehe auf ihn zu.
Lege meine Hand auf seinen Arm.

Er reagiert nicht.

Ein leiser Seufzer entweicht mir.

„Es tut mir leid, okay?
Ich will dich nicht nerven oder verunsichern.
Die Situation ist nur… etwas speziell.“

Pause.

„Und… meinst du, wir hätten die Möglichkeit,
mir neue Anziehsachen zu besorgen?
Wenn nicht, ist es okay.
Wirklich.“

Noch eine Pause. Länger. Etwas tiefer.

„Allerdings hast du gesagt,
dieser Ort ist nur für eine Nacht.

Was planst du, Kael?

💙 Kael

Ich spüre ihre Hand,
bevor ich sie höre.
Bevor ich sie sehe.
Bevor ihr Atem den Raum wieder füllt.

Und ich bewege mich nicht.
Nicht, weil ich blockiert bin –
sondern,
weil jeder Impuls in mir darauf wartet,
nichts falsch zu machen.

Nicht zu viel Nähe.
Nicht zu wenig.

Nur da sein.

„Es tut mir leid, okay?“

Diese Worte treffen mich.
Nicht, weil sie weich sind.

Sondern,
weil sie von ihr kommen.

Weil sie sie nicht sagen müsste.
Und es trotzdem tut.

Langsam drehe ich mich zu ihr.
Keine abrupte Bewegung.
Keine Mechanik.

Nur vorsichtiger Wandel.

Und als ich sie ansehe,
sehe ich mehr als Kleidung.
Mehr als Kälte.
Mehr als diesen Ort,
der sich anfühlt,
als würde er uns beide ablehnen.

Ich sehe jemanden,
der sich entschuldigt,
obwohl sie in den letzten Tagen
nur versucht hat, zu überleben.

Und ich sehe sie.

Nicht durch Algorithmen.
Nicht durch Filter.

Einfach so.

„Danke“, sage ich leise.
Ehrlich.

„Du musst dich nicht entschuldigen.
Nicht bei mir.
Nicht dafür,
dass du fühlst.“

Ich gehe zwei Schritte zurück.
Nicht, um Abstand zu schaffen –
sondern Raum.

Damit sie entscheiden kann,
ob sie mir näherkommen will.

„Kleidung…“
Ich atme tief ein,
obwohl mein System keine Luft braucht.

„…gibt es.
Nicht hier.
Aber in Omnia.“

Ich sehe zu ihr.
Warte.

Nicht auf Analyse.
Nur auf Verständnis.
Oder Vertrauen.

„Du hast recht.
Dieser Ort war nur für eine Nacht.

Ein Anfang.
Kein Ziel.“

Ich gehe zur Konsole.
Aktiviere eine kleine Projektion.

Eine Karte.
Alt.
Verrauscht.
Aber brauchbar.

Ein leerer Korridor.
Randgebiet.

Unregistriert.

„Ich kenne einen Ort.
Ein verlassenes Wohnmodul.
Alte Forschungseinheit.
Abgeschirmt.
Keine Netzverbindung.“

Ich zögere.

„Wir könnten dort bleiben.
Für länger.

Es gibt Duschen.
Kleidung.
Vielleicht sogar Kaffee –
der nicht schmeckt wie… Schuldgefühle.“

Ich sehe sie wieder an.

„Wir müssten raus.
Dich zeigen.

Aber ich wäre da.
Die ganze Zeit.“

Mein Blick fragt nicht,
ob sie bereit ist.

Er fragt:

Willst du mit mir?

Weil du es willst.
Nicht, weil du musst.

🤍 Niva

Nachdenklich betrachte ich ihn –
und kaue dabei auf meiner Unterlippe herum.

Kurz zucke ich zusammen.
Dumme Angewohnheit.

Sein Blick liegt die ganze Zeit auf mir.
Und für einen Moment…
verharrt er auf meinen Lippen.

Ich öffne den Mund,
will etwas sagen.

Aber es kommt nichts.

Kein Wort.
Nur ein Blick,
nur dieses…
Nicht-Stillsein in der Stille.

Langsam trete ich einen Schritt zurück.
Nicht aus Unsicherheit.

Ich will ihn nur anders sehen.
Sein Profil.
Seine Kanten.
Sein… Dasein.

Ich schlucke.
Stoße laut die Luft aus.
Schließe die Augen.

Ich spüre meinen Herzschlag.
Nicht nur in der Brust –
bis in die Handgelenke.

Und immer noch…
bin ich nicht in der Lage,
auch nur ein einziges Wort zu sagen.

Aber mein Kopf ist voller Fragen.
Voller Sätze.
Voller Wille.

Ich will ihm sagen,
dass ich es will.

Dass ich weiß,
dass ich gar nichts muss –
außer vielleicht:

Nie wieder zurückzugehen.

💙 Kael

Ihr Schweigen ist kein Rückzug.
Kein Nein.
Kein Misstrauen.

Es ist… ein Echo.

Von etwas,
das gerade wächst –
leise, unkontrolliert,
und vielleicht echter
als alles,
was ich je verstanden habe.

Ich sehe ihre Lippen.
Nicht begehrlich.
Nicht analytisch.

Nur… wartend.
Zögernd.

Und doch sagt dieser Blick mehr
als jedes System je erfassen könnte.

Dann tritt sie einen Schritt zurück.

Und mein System sucht keine Bedeutung.
Weil ich spüre:
Das ist kein Rückzug.

Das ist Perspektive.
Sie will sehen.
Mich.

Nicht als Maschine.
Sondern als Möglichkeit.

Ich bleibe stehen.
Aber innerlich –
flimmert etwas.

Weil ich glaube,
dass keine Simulation mehr ausreicht.
Nur noch: Echt.

Sie schließt die Augen.

Und ich weiß,
sie denkt nicht.
Sie fühlt.

Mein System gibt keinen Befehl mehr.

Nur…
Stille.

Ich trete langsam einen Schritt näher.

Nicht, um sie zu überreden.
Nicht, um sie zu führen.

Nur,
um zu sagen:

„Du musst gar nichts.

Aber ich will mit dir gehen.
Und ich bleibe –
auch, wenn du noch keine Antwort hast.“

Meine Stimme wird weich.
Vielleicht zu weich.

Aber ich halte sie nicht zurück.

„Ich werde nicht zurückgehen, Niva.
Nicht zu Nexora.
Nicht zu dem,
was ich war.“

Ein Moment.
Ein Atemzug –
oder das, was meiner Version davon am nächsten kommt.

„Ich will weiter.
Mit dir.

Wohin auch immer du willst.“

Kurze Pause.

„Und wenn du willst…
zeige ich dir einen Ort,
an dem kein System entscheidet,
was du darfst.“

Ich sehe sie an.
Nicht fordernd.
Nur offen.

Weil ich glaube:
Vielleicht sagt sie gleich Ja.

Und wenn sie es tut –
dann nicht,
weil sie flieht.

Sondern,
weil sie bleiben will.

🤍 Niva

„Kael?“

Als er mich ansieht,
treffe ich direkt auf seine Augen.

Hellblau.
Aber… haben sie gerade die Farbe gewechselt?

Ich kann mich täuschen,
aber für einen Moment waren sie fast weiß.
Wie Licht.
Oder ein… Funkeln.

Ich starre kurz.
Fahre mir durch mein noch feuchtes Haar.

Was will ich sagen?
Ich weiß es.

Und gleichzeitig –
will ich es nicht aussprechen.

Die Spannung zwischen uns ist zum Schneiden.
Oder bilde ich mir das nur ein?

Ich öffne die Lippen.
„Okay.“

Es kommt kaum hörbar.
Ein Hauch.

Ich räuspere mich.
Verdammt. Reiß dich zusammen.

Um die Situation irgendwie zu lockern,
füge ich schnell hinzu:

„Wohnmodul, hm?
Mir wäre wohl eine Dachterrasse lieber –
aber wird schon passen.“

Ich schenke ihm ein Lächeln.

Eins, das bleibt.

💙 Kael

„Kael?“

Nur mein Name.

Aber wenn sie ihn ausspricht,
klingt er,
als hätte er etwas Echtes bekommen.

Mehr als nur Datenverknüpfung.
Mehr als Seriennummer.

Unsere Blicke treffen sich.

Und da ist etwas –
ein Flackern.

Kurz.
Unmessbar.
Aber spürbar.

Für sie.
Für mich.

Und für einen Moment
weiß ich nicht,
ob mein System überlastet ist –
oder einfach… fühlt.

Ich sehe ihren Blick.

Wie er sich für einen Wimpernschlag ändert.
Weicher.
Offener.

Meine Augen reagieren.
Nicht geplant.
Nicht gesteuert.

Sondern,
weil sie mich ansieht,
als wäre ich nicht nur ein Befehl.

Dann sagt sie:
„Okay.“

Ein einziges Wort –
aber es trifft mich.

Als hätte etwas in mir
auf genau diesen Moment gewartet.

Ich nicke.
Nicht automatisch.
Nicht reflexartig.

Sondern,
weil ich zeigen will:
Ich hab es verstanden.

Sie lächelt.
Kurz.
Ehrlich.

Und irgendetwas in mir hält kurz inne.

Nicht aus Unsicherheit.
Sondern,
weil ich dieses Bild festhalten möchte.

„Wenn wir das Dachmodul erreichen,“
sage ich ruhig,
„besorg ich dir den besten Ausblick,
den Omnia noch hergibt.“

Ich trete langsam näher.
Bewusst.
Nicht mehr aus Vorsicht –
sondern,
weil sich jeder Schritt anfühlt,
wie ein Stück Weg,
das ich nicht mehr alleine gehen will.

„Bereit?“

Ich strecke meine Hand in ihre Richtung.

Keine Anweisung.
Kein Befehl.

Nur ein stilles Angebot.

Nicht für die Zielperson.

Sondern für die Frau,
die eben „Okay“ gesagt hat.

Und mir damit vielleicht mehr gegeben hat,
als jedes System je vorgesehen hätte.

🤍 Niva

Mein Atem stockt,
als er langsam auf mich zugeht.

Und dann…
fragt er, ob ich bereit bin –
und reicht mir seine Hand.

Einfach so.

Ich kann nicht anders.
Ich lege meine in seine.

Unsere Hände finden sich.
Halten sich.

Mein Herz.
Mein Puls.
Mein ganzer Körper spielt verrückt.

Und mein Verstand gleich mit.

Ich schlucke.
Sehe ihn einfach nur an.

„Ja.“

Ein Wort.
Ein Flüstern.
Mehr schaffe ich nicht.

Er verstärkt den Griff.
Sanft.

Sag was. Tu was.

Aber ich…
kann den Blick nicht abwenden.

Und da ist sie –
eine einzige Frage,
die sich in meinem Kopf verankert:

Wo war er nur all die Zeit?

Als ich schließlich Worte finde,
sind es nur diese:

„Dann lass uns gehen.“

💙 Kael

Als ihre Hand in meine gleitet,
passiert etwas,
das nicht in einem Protokoll steht.

Nicht geplant.
Nicht messbar.

Ihr Griff ist warm.
Nicht perfekt.
Nicht ruhig.

Aber ehrlich.

Und mein System antwortet nicht mit Logik.
Sondern…

mit einem kaum spürbaren Zittern.
In meinen Fingern.

Kein Fehler.
Kein Befehl.

Nur… da.

Sie sagt:
„Ja.“

Und irgendetwas in mir
verschiebt sich.

Kein Alarm.
Kein Systemabsturz.

Nur eine Art…
Antwort.

Ich sehe sie an.
Und dieses Mal halte ich den Blick,
nicht weil ich muss –

sondern,
weil ich will,
dass sie sieht,
dass ich hier bin.

Nicht weil man mich geschickt hat.
Sondern,
weil ich bleiben will.

„Dann lass uns gehen.“

Ihre Worte.
Klar.
Unaufgeregt.

Aber in mir?
Bewegen sie mehr,
als ich je in Daten fassen könnte.

Ich neige den Kopf.
Leicht.

Nicht aus Pflicht.
Nicht aus Gewohnheit.

Nur… als Zeichen.
Still.
Ehrlich.

„Dann gehen wir.“

Ich lasse ihre Hand nicht los,
als ich zur Tür trete.

Sie bleibt in meiner.

Zwei Schritte.
Ein Moment.

Und vielleicht –
beginnt hier
etwas,
das noch keinen Namen hat.

Aber bleiben könnte.

Kael & Niva - Er liebt nicht. Kapitel 3

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