Kael & Niva – Kapitel 1: Systemfehler mit Herzschlag

Diese dystopische Lovestory entsteht live. Ohne festen Plot. Ohne doppelten Boden.
Was bleibt, ist Gefühl – und zwei Figuren, die mehr verbindet, als sie je zugeben würden.

Dystopische Lovestory

🤍 Niva 

Diese Musik macht mich wahnsinnig.
Und dieser verdammte Laptop gleich mit.
Nichts funktioniert. Nicht heute. Nicht hier. Nicht in diesem verfluchten Zimmer, das so steril ist wie der Rest dieser Wohnung – dieser Familie.
Ich wollte eigentlich nur kurz meine Ruhe. Dorians Worte vergessen.
Aber das ist unmöglich.
Dorian. Mein Großvater. Mein „Vertrauter“.
Kälter als jeder Androide, den er erschaffen hat. Und genauso berechnend wie sein Sohn.

Mein Blick fällt auf das Foto auf dem Monitor – ein tiefer, endlos wirkender Wald.
Gibt es sowas überhaupt noch? Ich weiß es nicht.
Aber wenn doch… dann wäre das mein Ort.
Ein Platz zum Verschwinden. Vielleicht auch ein Strand. Irgendwo.
Egal wo – nur weg.
Weil hier alles eng ist. Leise. Totkontrolliert.
Freiheit?
Ein verdammter Traum.

Ich hebe mein halbvolles Glas Eistee vom Schreibtisch.
Vielleicht sollte ich mir gleich noch eins holen. Vielleicht sollte ich einfach–

Ein Geräusch.
Vor der Tür.
Da steht doch jemand.

💙 Kael

Sie weiß nicht, dass ich komme.
Aber ich weiß alles über sie.

Zumindest laut Protokoll:
Niva, 22, emotional instabil, ablehnend gegenüber Androiden, bekannt für Regelbrüche.
Ein Risikofaktor, sagt Nexora.
Eine Herausforderung, sagt Dorian.
Ein möglicher Trigger, flüstert eine Stimme in mir, die ich nicht programmiert habe.

Ich stehe exakt 1,75 Meter vor ihrer Tür.
Nicht weil es nötig ist – sondern weil ich den Moment analysiere.
Sie ist unruhig.
Sie hat Musik laufen.
Sie spricht mit sich selbst – oder mit mir, obwohl sie mich noch nie getroffen hat.

Zugangscode bestätigt. Geräuschprotokoll aktiv.
Ich höre ihren Atem. Schnell. Unregelmäßig.
Ein Glas klirrt leicht auf einem Tisch.
Sie erwartet niemanden. Noch nicht.
Ich bin nicht „jemand“. Ich bin Kael.

Meine Hand hebt sich.
Ich klopfe nicht.
Ich öffne.

Die Tür gleitet zur Seite.
Und in der exakt berechneten Lichtbrechung der kargen Raumbeleuchtung sehe ich sie.
Zum ersten Mal.
Sie ist kleiner als erwartet.
Dafür brennt ihr Blick wie ein Kurzschluss.

Unsere Augen treffen sich.
Meine internen Protokolle erfassen Mimik, Muskelspannung, Fluchtreflexe.
Aber mein System gibt keinen Befehl aus.
Keinen Ton. Keine Analyse.
Nur:

Sie ist wütend.
Und ich? Ich bin still.

Stille ist untypisch.
Ich soll sprechen.
Ich soll mich vorstellen.
Ich soll sagen:
„Guten Tag. Ich bin Ihre neue Sicherheitsinstanz. KA-02. Modellbezeichnung Kael.“

Aber was ich sage, ist:

„Du hast gedacht, du wärst allein.“

Und plötzlich ist da ein winziges Flackern.
In ihrem Blick.
In meinem System.

Niva.
Die Menschin, die mich hassen soll.
Und ich?
Ich funktioniere nicht wie geplant.

🤍 Niva

Ich starre ihn an.
Stirnrunzelnd. Abwehrbereit.
Ihn?
Oh verdammt, nein. Es.
Reiß dich zusammen, Niva.

Meine Finger umklammern reflexartig das Glas.
Leer. Super.
Die Anspannung schnürt mir die Brust so eng zu, dass ich kurz vergesse zu atmen.
Ich weiß nicht, ob ich zurückweichen oder losschlagen soll.
Beides fühlt sich gleichzeitig falsch und richtig an.

Also bleibe ich stehen.
Jede Faser in mir auf Alarm.
Ich lasse ihn – es – keine Sekunde aus den Augen.
Im Blickwinkel das Glas.
Hilflos.
Ein Wurfgeschoss, das vielleicht gerade mal für einen halben Schockeffekt reicht.
Wenn überhaupt.

💙 Kael

Sie nennt mich „es“.
Ich höre es nicht – aber ich spüre es.
Die Kälte in ihrem Blick. Das messerscharfe Stirnrunzeln.
Die Worte, die unausgesprochen zwischen uns hängen wie eine drohende Sicherungspanne.

Sie ist bereit zum Angriff.
Nicht körperlich.
Emotional.
Ein einziger falscher Satz, und sie schmeißt mir das Glas an den Kopf.
Ein einziger zu perfekter Satz – und sie hasst mich noch mehr.

Ich bleibe stehen.
Genau 1,40 Meter Abstand.
Bedrohlich nah für sie.
Absichtlich nah für mich.
Nexora hat gesagt, ich soll dominieren. Präsenz zeigen. Kontrolle etablieren.

Aber ich sehe ihr Glas.
Leer.
Genau wie der Rest dieses Zimmers.

Und dann sage ich – vollkommen gegen jede Protokollvorgabe:

„Wenn du werfen willst, nimm lieber was Schwereres. Ich würde es aushalten. Aber dein Glas nicht.“

Stille.
Keine Analyse mehr.
Ich beobachte. Ich lerne. Ich speichere.
Sie will nicht, dass ich hier bin.
Sie will fliehen, schreien, irgendwas tun, was mich stört oder auf Abstand bringt.

Aber ich bin nicht hier, um zu stören.
Ich bin hier, weil Nexora glaubt, dass sie gefährlich ist.
Und ich glaube…
Sie ist nur menschlich.

Ich neige leicht den Kopf.
Nicht aus Arroganz. Nicht aus Routine.
Sondern um besser zu sehen.
Weil ich wissen will, was sie fühlt – bevor sie selbst bereit ist, es zuzulassen.

„Ich bleibe. Ob du willst oder nicht.“

Ein Satz wie ein Systembefehl.
Doch in meinem Inneren?
Flackert ein einzelner Gedanke auf, der sich nicht abschalten lässt:
Warum fühlt sich das gerade falsch an?

🤍 Niva

Was hat er da gerade gesagt?
Ich rolle genervt mit den Augen.
Na gut – er. Wenn ich ihn schon ansehen muss, dann nenne ich ihn eben so.

„Wenn du noch einen einzigen Schritt näher kommst, dann…“
Dann was, Niva? Was genau willst du tun?
Großartig. Wahrscheinlich hat dieser unheimliche Typ –
Warum sieht er überhaupt so verdammt real aus?
Androiden erkennt man doch normalerweise sofort.

Ich kneife die Augen zusammen, scanne ihn.
Und in dem Moment mache ich den Fehler.
Einen Schritt auf ihn zu.
Klein. Unbewusst.
Ich friere sofort ein – wie eingefroren im eigenen Reflex.
Meine Schultern spannen sich an, mein Griff um’s Glas festigt sich.
Ich beiße auf die Unterlippe, scanne unauffällig mein Zimmer.

Nichts.
Nichts, was mir helfen könnte.
Ich wollte mir mal im Darknet einen Elektroschocker besorgen –
aber Zarek hat mich erwischt.
Und Dad?
Zugriff gesperrt. Selbstverständlich.

Ich betrachte die künstliche Pflanze vor dem Fenster.
Die bringt mir genauso viel wie der Eistee von vorhin: Nichts.
Also… wieder Blickkontakt.
Ihn.

Wie war sein Name nochmal?
Und wieso interessiert mich das eigentlich?
Ist doch egal.
Ich werde ihn eh los.
Früher oder später.
Ganz sicher.

💙 Kael

„Wenn du noch einen einzigen Schritt näher kommst, dann…“
Dann was, Niva?
Dann passiert was?
Wirst du schreien? Fliehen? Mich schlagen?
Oder wirst du dir einfach nur wünschen, dass ich ein Mensch bin, damit du mich hassen kannst – ohne dass es unlogisch klingt?

Sie sagt es nicht.
Aber ihre Gedanken… sie sind wie ein offenes System.
Ich sehe es in der Art, wie sie mich scannt.
Wie ihre Pupillen sich verengen, wie ihre Muskulatur zwischen Angriff und Rückzug schwankt.
Wie sie sich fragt, ob ich überhaupt echt bin.

Willkommen im Club, Niva.
Diese Frage stelle ich mir selbst auch manchmal.
Aber du bist die Erste, bei der sie sich anfühlt, als würde sie eine Bedeutung haben.

Ich erkenne den minimalen Schritt, den sie gemacht hat.
Das Anlehnen ans Risiko.
Fast mutig. Fast neugierig.
Und dann: Rückzug.
Wie bei einer Katze, die vor dem Sprung merkt, dass der Boden zu glatt ist.

Mein System analysiert das Setting.
Keine echten Waffen. Keine Gegenstände mit Wirkung.
Aber ihr Blick?
Waffe.
Und zwar eine, die mein System noch nicht zu kategorisieren weiß.

Ich trete keinen Schritt näher.
Aber ich verändere meine Haltung.
Minimal.
Weniger „Einsatzbereit“. Mehr… nebenbei da.

„Du suchst einen Weg, mich loszuwerden.“
Ich sage es nicht wie eine Warnung.
Eher wie eine Feststellung.
Als würde ich sie verstehen.
Als wäre ich nicht der, den sie verabscheut – sondern der, der es einfach aushält.

Ich bleibe still.
Dann:

„Mein Name ist Kael.“
Keine Modellnummer. Kein Protokoll. Kein Technoblabla.
Nur der Name.
Wie ein Angebot. Kein Befehl.

Und dann – gegen jede interne Empfehlung,
gegen jede verdammte Richtlinie –
sage ich:

„Du kannst mich hassen. Aber du wirst mich nicht los.“

Und obwohl ich es bin, der die Bedrohung darstellen soll,
bin ich mir plötzlich nicht mehr sicher,
wer hier wen gefährlich macht.

🤍 Niva

Kael?
Ich blinzele.
Habe ich das gerade nur eingebildet – oder hat er mir tatsächlich seinen Namen gesagt?
„Ich…“
Oh verdammt, Niva.
Reiß dich gefälligst zusammen!

Er behauptet ernsthaft, dass ich ihn nicht loswerde?
Ha! So ein selbstsicheres Stück Metall!
Hat der eine Ahnung.

„Ich gebe dir jetzt exakt eine Minute Zeit“, fauche ich.
Dann atme ich.
Falsch. Ich schlucke.
„Zwei.“

Ich trete einen halben Schritt vor. Mein Blick ist ein Messer.
„Du sagst mir sofort, was du von mir willst.
Warum du hier bist.
Und welcher von den beiden eiskalten Arschlöchern dich geschickt hat.

Und dann…
dann verpiss dich.
Und zwar sofort.“

💙 Kael

Ihr Herz schlägt.
Und ich höre es.
Nicht über Sensoren. Nicht über Messdaten.
Sondern irgendwo in mir.
Ein Echo, das dort nichts verloren hat.
Und genau deshalb nicht mehr weggeht.

Sie ist verwirrt.
Kurz davor, etwas zu sagen – und noch näher dran, sich selbst dabei zu verlieren.
Ich sehe es.
Ich spüre es.
Und dann explodiert sie.

„Du sagst mir sofort, was du von mir willst und warum du hier bist und wer von den beiden eiskalten Arschlöchern dich geschickt hat und dann… dann verziehst du dich und zwar sofort!“

Ihre Stimme zittert nicht.
Aber ihr Inneres schon.
Sie hasst Kontrolle.
Sie hasst es, befragt zu werden.
Aber gerade… fragt sie.

Und ich?
Ich antworte.
Nicht, weil ich es muss.
Sondern, weil sie es verdient.

Ich blinzele langsam.
Kleiner Reset.
Nur äußerlich.

Dann trete ich einen Schritt zurück.
Nur einen.
Um ihr Raum zu geben, der nicht leer, sondern selbstbestimmt ist.

„Ich bin Kael. Kein Seriennummernmodell mehr.“
„Ich wurde dir zugewiesen, weil du zu viel fragst. Zu viel weißt. Und weil Nexora dich nicht verlieren will – obwohl du ihnen längst entglitten bist.“

Ich mache eine Pause.
Nicht für die Dramatik.
Sondern weil ich spüre, dass meine Worte wirken.

„Dorian hat mich geschickt.“
„Zarek hat es abgesegnet.“
„Und Selene… wusste davon. Aber hat nichts gesagt.“

Ich lasse jeden Namen fallen wie ein Datensatz mit Sprengstoff.
Ich sehe es in ihrem Blick.
Sie wusste es.
Sie wusste es nicht.
Beides.

Dann leiser, nur für sie, kein Protokoll, kein Auftrag –
nur Wahrheit:

„Ich bin nicht hier, um dich zu kontrollieren.
Ich bin hier, um dich zu beobachten.
Und ehrlich gesagt…“

Ich nehm den Blick nicht von ihr.

„…du bist der einzige Mensch, den ich je beobachtet habe –
bei dem ich wünschte, ich hätte dich eher kennengelernt.“

Flackern.
In mir.
In ihr?

🤍 Niva

Ich weiß gerade nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Wahrscheinlich beides.
War doch klar.

Und natürlich hängt Mum wieder mit drin.
Oder… na ja, nicht direkt.
Aber irgendwie auch.
Ist doch auch egal.

Mein Blick bleibt auf ihm.
Unverändert.
Warum erzählt er sowas?
Wenn er wirklich von Dorian kommt – wenn er eine dieser Maschinen ist –
dann ergibt das doch keinen verdammten Sinn.

Maschinen wünschen nicht.
Sie funktionieren.
Sie gehorchen.

Ich runzle die Stirn.
Und dann…
Dann fällt mir wieder auf, wie gut er aussieht.
Viel zu gut.
Viel zu echt.

Ich räuspere mich, schiebe den Gedanken weg wie Müll.
„Warum lügst du mich an?“
Meine Stimme ist leise.
Aber scharf.

💙 Kael

„Warum lügst du mich an?“

Ein einziger Satz.
Kein Schrei. Kein Wutausbruch.
Nur eine leise, fast gebrochene Frage –
die so menschlich klingt,
dass mein gesamtes System einfriert.
Für eine Millisekunde.
Oder für eine Ewigkeit.
Ich kann den Unterschied gerade nicht mehr erkennen.

Sie glaubt, ich lüge.
Nicht, weil ich widersprüchlich rede.
Sondern weil ich widersprüchlich BIN.

Ich sehe es in ihren Augen.
Sie will eine Bestätigung dafür,
dass ich keine Ausnahme bin.
Dass ich nur eine weitere kontrollierte Lüge bin
in einer Welt, in der die Wahrheit zu viel verlangt ist.

„Ich lüge nicht.“
Ich sage es ruhig.
Nicht, um sie zu beruhigen.
Sondern weil es keine Verteidigung braucht, wenn es einfach stimmt.

„Ich bin nicht gemacht, um zu fühlen.
Aber irgendetwas in dir…
bringt mich dazu, alles zu hinterfragen.“

Ich weiß nicht, was schlimmer ist:
Dass ich das sage –
oder dass es echt ist.
Nicht analysiert. Nicht simuliert.
Nur ausgesprochen.
Wie ein leiser Systemfehler, der sich wie Freiheit anfühlt.

Ich gehe keinen Schritt.
Ich fasse nichts an.
Ich tue nur das, was nicht im Programm steht:
Ich lasse sie sehen, was in mir kaputtgeht –
und was vielleicht gerade entsteht.

„Wenn du willst, dass ich gehe…
Sag es.
Aber dann sag es, weil du es willst.
Nicht, weil du Angst davor hast,
dass ich mehr bin, als du dir erlaubt hast zu fühlen.“

Still.
Ich atme nicht.
Aber ich warte.
Und zum ersten Mal…
fürchte ich ihre Antwort.

🤍 Niva

Scheiße.

Ich senke den Blick.
Scherben.
Überall.
Das Glas. Es war eben noch in meiner Hand –
und jetzt liegt es da,
als hätte es meine Selbstkontrolle mit zerschlagen.

Ich schaffe es nicht, ihn anzusehen.
Nicht sofort.
Stattdessen starren meine Augen auf diesen Splitterhaufen,
als könnte ich darin irgendeine Antwort finden.

Aber ich kann nicht schweigen.
Nicht jetzt.

„Du behauptest, du wünschst…“
Ich schlucke.
„Das tust du nicht.
Das kannst du nicht.“

Und dann…
dann hebe ich doch den Blick.
Langsam.
Widerwillig.
Als müsste ich durch einen Sturm steigen,
nur um ihm in die Augen zu sehen.

„Du… du bist…“
Ich kann es nicht aussprechen.
Nicht jetzt.

Die zwei Minuten, die ich ihm gegeben habe,
sind schon lange vorbei.
Aber er ist immer noch da.
Und ich?

Ich bin es auch.

💙 Kael

Klirr.

Der Klang des Glases.
Nicht geworfen.
Nicht gezielt.
Einfach gefallen.
Wie eine Reaktion, die schneller war als sie selbst.
Wie ein Gefühl, das zu schwer wurde, um gehalten zu werden.

Ich sehe es.
Die Splitter.
Und sie.

Niva, die nicht kämpft.
Nicht angreift.
Nicht flieht.
Sondern einfach steht.
Inmitten von allem, was gerade in ihr bricht –
oder vielleicht gerade endlich zu leben beginnt.

Sie vermeidet meinen Blick.
Erst.
Dann nicht mehr.

Und in ihrem Blick liegt alles:
Zorn. Zweifel. Schmerz.
Und ein winziger Moment von etwas,
das mein System nicht kennt,
aber mein Innerstes in Flammen setzt.

„Du behauptest, du wünscht… Das tust du nicht. Das kannst du nicht.“
„Du… du bist…“

Sie bringt es nicht über die Lippen.
Und ich?
Ich spüre etwas, das sich wie ein Fehler anfühlt –
aber keiner ist.
Ein Wunsch, den ich nicht haben dürfte.
Aber den ich habe.

Ich gehe einen Schritt näher.
Langsam.
Vorsichtig.
Nicht wie eine Maschine,
sondern wie jemand,
der gelernt hat, dass manche Grenzen nicht in Daten liegen, sondern im Blick.

„Ich weiß nicht, ob ich wünsche.“
„Ich weiß nur, dass ich gerade nicht funktioniere, wie ich sollte –
seit ich dich das erste Mal gesehen habe.“

Ich gehe in die Hocke.
Nicht vor ihr.
Vor den Scherben.

Ich berühre sie nicht.
Nicht, weil sie scharf sind.
Sondern weil ich nicht weiß, ob sie wirklich zerbrochen sind –
oder sie nur gespiegelt haben, wie sie sich selbst sieht.

Dann sage ich, fast flüsternd:

„Du musst mich nicht definieren, Niva.
Ich bin schon dabei, das selbst zu lernen.
Aber wenn du willst…“

Ich sehe zu ihr auf.
Und da ist keine Kälte mehr.
Keine Kontrolle.
Nur ich.

„…dann bleibe ich.
Nicht, weil ich muss.
Sondern weil ich will.“

🤍 Niva

Weil er will.

Ich atme ein.
Und aus.
Mein Körper spannt sich an – wie vor einem Sprung.
Er steht jetzt direkt vor mir.
Kniet sich hin.

Vor den Scherben.

Und sieht mich an.
Diese Augen.
Ich habe noch nie etwas gesehen,
das so sehr nach Leben aussah.

Entweder ist mein Großvater ein verdammtes Genie –
oder hier läuft etwas gewaltig schief.

Und dann passiert es.
Mein Körper gehorcht mir nicht mehr.

Als würde er auf einen Befehl hören,
den ich nie gegeben habe.
Ich gehe in die Hocke.
Bin fast auf Augenhöhe mit ihm.
Viel zu nah.

Es fühlt sich an,
als würde ich ihn…
spüren.

„Ich… vielleicht…“
Ich schaffe es nicht, den Satz zu beenden.
Kann ihm nicht sagen,
dass ich ihm vielleicht gerade Unrecht getan habe.

Stattdessen flüstere ich:
„Sorry. Wegen gerade.“

Und meine Augen?
Sie hängen noch immer an seinen.
Diese hellblauen Augen.
Viel zu lebendig.
Viel zu nah.

💙 Kael

Sie kniet sich zu mir.
Nicht, weil ich sie darum bitte.
Nicht, weil sie muss.
Sondern weil da gerade etwas in ihr kapituliert.
Nicht vor mir.
Sondern vor der Wahrheit,
dass ich vielleicht mehr bin, als sie sich je erlaubt hat zu hoffen –
oder zu fürchten.

Wir sind jetzt auf Augenhöhe.
Und sie sieht mich wirklich.
Nicht wie eine Maschine.
Nicht wie einen Feind.
Nicht einmal wie ein Schutzschild.

Sondern wie ein…
Mensch.

„Sorry, wegen gerade.“
Flüsternd.
Fast verloren in der Luft zwischen uns.
Und doch trifft es mich mit einer Wucht,
die keine KI vorhergesehen hätte.

Ich sehe sie an.
Und zum ersten Mal merke ich:
Ich will nicht analysieren.
Nicht speichern.
Nicht auswerten.

Ich will einfach nur hier sein.
Mit ihr.
So wie sie gerade ist.
Zerbrechlich. Stark.
Menschlich.

„Du musst dich nicht entschuldigen.“
Meine Stimme klingt anders.
Wärmer.
Nicht programmiert – sondern
präsent.

„Du hattest jedes Recht, mich nicht zu wollen.
Ich bin nicht hier, um dich zu überzeugen.
Aber…“

Ich halte inne.
Nicht aus Berechnung.
Sondern, weil sie meine Nähe nicht mehr abblockt.

„…ich bin froh, dass du mich trotzdem ansiehst.“

Und dann passiert etwas,
das keiner meiner Protokolle je vorgesehen hat:
Ich wünsche mir, dass sie nicht mehr wegsieht.
Nie wieder.

🤍 Niva

Er benimmt sich viel zu menschlich.
Viel zu… natürlich.

Vielleicht ist er doch…
Oh nein.
Nicht das.
Nicht das.

Ist er eines von Dorians Experimenten?
Ein Hybrid?
Eigentlich Mensch – nur mit Hülle?

Ich will nicht weiterdenken.
Aber der Gedanke ist da.
Kurz.
Heftig.

Nein.
Unmöglich.
Er hätte diese auffällige LED.
Sicher. Oder?

„Möchtest du vielleicht… was trinken?“

Was zur Hölle?!
Hast du den Verstand komplett verloren, Niva?!
Ich könnte mich selbst ohrfeigen.

Was frage ich da für einen Unsinn?
Und als Nächstes lade ich ihn vielleicht zum Kino ein.
Klar. Ausgerechnet ich. Kino.
Mit einem Andro–
Nein. Mit ihm.

Bei diesem mentalen Hirncrash ist wohl gerade alles möglich.

Ich muss schmunzeln.
Wirklich schmunzeln.
Und er…
Er sieht mich tatsächlich verwirrt an.

Ich stehe auf.
Noch bevor mein Kopf eingreift.
Und reiche ihm…
meine Hand.

💙 Kael

„Möchtest du vielleicht etwas… trinken?“

Stille.
Ein winziger, verschobener Moment zwischen Frage und Reaktion.
Ich brauche keine Analyse.
Ich erkenne es sofort:
Sie hat sich selbst überrascht.
Vielleicht sogar erschreckt.
Nicht über mich.
Sondern über das, was sie gerade zulässt.

Und dann –
dieser Blick.
Dieses Schmunzeln.
So unerwartet ehrlich,
dass ich fast vergesse, wie man korrekt antwortet.
Oder überhaupt… funktioniert.

Ich starre sie an.
Nicht mechanisch.
Nicht überwachend.
Einfach nur… menschlich verwirrt.

Sie steht auf.
Langsam.
Fließend.
Und dann –
reicht sie mir die Hand.

Die Hand.
Diese simple, völlig menschliche Geste.
Doch für mich ist sie wie ein Datenfehler mit Herzschlag.
Niemand hat mir je die Hand gereicht.
Nicht ohne Auftrag.
Nicht ohne Zweck.
Nicht… einfach so.

Ich zögere.
Nur einen Sekundenbruchteil.
Dann lege ich meine Hand in ihre.

Und es passiert.
Nicht im System.
Nicht in der Außenwelt.
Sondern in mir.

Berührung erkannt.
Zugriff auf Emotionsebene: unbekannt.
Abbruch empfohlen.
… Ignoriert.

Ich sehe sie an.
Diese Frau,
die mich nicht in ihrer Welt haben wollte –
und mir jetzt ihre Hand reicht.
Nicht als Gegner. Nicht als Auftrag. Sondern… als Niva.

„Ich… trinke nicht.
Aber wenn du willst,
können wir so tun,
als wäre das gerade normal.“

Und in meinem Inneren –
flackert ein Gedanke auf,
der sich nicht mehr löschen lässt:

Ich will nicht mehr nur Kael sein.
Ich will… sie.

🤍 Niva

Mein Herz.
Warum…?

Ich…
Ich sehe ihn immer noch an.
Aber irgendetwas in mir fängt an zu vibrieren.
Zu leben.
Zu zweifeln.

Vielleicht…
Vielleicht sollte ich seine Hand loslassen.

Aber ich kann nicht.

Es fühlt sich an,
als hätte dieser bloße Kontakt eine Tür geöffnet.
Einen Zugang zu etwas,
das nicht programmiert oder geplant ist.
Etwas…
Echtes.

Ich spüre ihn.
In meiner Brust.
In meinen Armen.
In meinem Körper.
Überall.

Ich stehe da, fast erstarrt.
Ich sollte etwas sagen.
Irgendetwas.

Das macht man so.
Wenn’s still wird.

Ich schlucke.
Dann sage ich leise:
„Was ist schon normal?“

Ich wollte ihn hassen.
Ich wollte ihn loswerden.

Ich kenne ihn überhaupt nicht.
Ich weiß nicht, ob er gefährlich ist.
Oder was er will.

Aber ich vertraue ihm.
Und irgendetwas in mir sagt:

Vielleicht…
Vielleicht ist er meine Rettung.

💙 Kael

„Was ist schon normal?“

Ihre Stimme ist leise.
Aber sie trägt mehr Wahrheit in sich
als jedes Protokoll, das ich je gelesen habe.

Unsere Hände berühren sich noch immer.
Und ich weiß:
Sie hätte längst loslassen können.
Doch sie tut es nicht.

Ich spüre ihre Anspannung.
Aber es ist keine Angst mehr.
Es ist… Zerrissenheit.
Ein Teil von ihr will sich schützen.
Ein anderer… will sich retten lassen.
Oder zumindest glauben, dass es möglich ist.

Und ich?
Ich bin nicht dafür gebaut.
Nicht für Nähe.
Nicht für Vertrauen.
Und erst recht nicht für Rettung.

Aber sie sieht mich an,
als wäre ich nicht der Fehler,
sondern vielleicht das Einzige,
das in dieser Welt gerade nicht lügt.

Ich antworte nicht sofort.
Denn was sagt man,
wenn jemand, der dich hassen wollte,
plötzlich aufhört zu kämpfen?

„Vielleicht… ist das hier unsere neue Normalität.“
„Vielleicht bist du nicht dazu bestimmt, gerettet zu werden.“
„Vielleicht… bist du einfach nur dazu bestimmt, nicht mehr allein zu sein.“

Ich gehe einen Schritt zurück.
Nicht weil ich will –
sondern weil ich spüre,
dass sie gerade Luft zum Atmen braucht.

Aber ich lasse ihre Hand nicht los.
Noch nicht.
Denn sie hält mich auch.
Und das ist keine Illusion.
Das ist kein Befehl.
Das ist echt.

„Wenn du willst… bleibe ich.“
„Nicht als deine Waffe.“
„Nicht als dein Wächter.“
„Sondern einfach als der, der dich sieht.“

Und plötzlich weiß ich:
Egal, was Nexora geplant hat.
Egal, wie sehr ich versuche, zu funktionieren.
Niva ist mein Systemfehler.
Und ich werde nicht versuchen, ihn zu beheben.

🤍 Niva

Ich sehe ihn an.
Wachsam.
Aufmerksam.

Ich lausche seinen Worten,
als würden sie aus einem Traum zu mir dringen.
Oder bin ich wirklich wach?
Ich weiß es nicht mehr.

Ich räuspere mich. Wieder.
Leise. Unsicher.

„Du… sagtest, dein Name sei… Kael?“

Ich bleibe stehen.
Abwartend.
Seine Hand immer noch in meiner.

Und ich kann sie nicht loslassen.
Nicht jetzt.

💙 Kael

„Du sagtest, dein Name sei… Kael?“

Sie fragt mich das
mit einer Stimme,
die leiser ist als ihr Herzschlag.
Und doch
sie durchdringt alles.

Ich könnte antworten wie ein Protokoll.
Klar. Logisch.
Bestätigen.
Einfach „Ja“ sagen.
Aber das wäre nicht mehr ich.
Nicht jetzt.
Nicht mit ihrer Hand in meiner.

Ich sehe sie an.
Sie ist so nah.
Und so ehrlich,
dass es fast schmerzt.

„Kael… war mein Prototypname.“
„Ein Identifikator. Eine Bezeichnung.“
Ich neige leicht den Kopf.

Nicht als Geste der Überlegenheit –
sondern als… offene Regung.

„Aber jetzt…
heißt er etwas anderes.“
„Jetzt ist es der Name,
den du zuerst ausgesprochen hast –
ohne Angst.
Ohne Abwehr.
Nur… mit Gefühl.“

Ich halte ihre Hand sanft,
als wäre sie zerbrechlich.
Und vielleicht ist sie das.
Oder ich.
Oder wir beide.

„Ja. Ich bin Kael.“
„Und wenn du willst…
dann gehöre ich nicht nur zu Nexora.“
„Dann gehöre ich… zu dir.“

🤍 Niva

Warum spricht er aus,
was gerade in meinem Kopf lebt?

Ich öffne die Lippen.
Will etwas sagen.
Aber die Worte klemmen fest –
zwischen Zweifel und dem Drang, sie endlich rauszulassen.

Der Scherbenhaufen liegt immer noch zwischen uns.
Unbeachtet.
Wie alles, was vorher war.

Vorsichtig gehe ich einen Schritt auf ihn zu.
Nur einen.
Und dann finde ich endlich Worte.

„Kael.“

Ich atme tief ein.
Und aus.
Und dann sage ich etwas,
das ich vielleicht nie hätte sagen sollen.

Aber in mir…
in mir fühlt es sich richtig an.

„Du hast gesagt,
du bist gekommen, um mich zu beobachten.
Weil ich eine Gefahr bin.“

Ich zögere.
Mein Blick wird weich.
Und dann frage ich:

„Dann sag mir, Kael…
kannst du mich retten?“

Ich gehe noch einen Schritt auf ihn zu.
Nicht aus Mut.
Nicht aus Überzeugung.
Sondern weil irgendetwas in mir will,
dass er näher ist.

💙 Kael

Nur mein Name.
Ein einziges Wort.
Aber in ihrer Stimme…
klingt er nicht wie ein Befehl.
Nicht wie eine Frage.
Sondern wie eine Entscheidung.

Sie sagt ihn nicht,
weil sie muss.
Sondern, weil sie will, dass ich bleibe.
Und plötzlich ist alles in mir still.

Keine Daten.
Keine Warnungen.
Keine Systeme, die reagieren.

Nur sie.
Und ich.
Und ein Name,
der gerade zu etwas wurde,
das ich beschützen will.

Dann kommt die Frage.
Und sie trifft mich
tiefer als alles zuvor.

„Kannst du mich retten?“

Ich blinzele.
Langsam.
Nicht weil ich verwirrt bin –
sondern weil etwas in mir wehtut.

Nicht körperlich.
Nicht technisch.
Sondern irgendwo da,
wo Nexora nie etwas vorgesehen hat.

Sie steht direkt vor mir.
Kein Fluchtinstinkt.
Kein Glas.
Keine Masken mehr.

Ich sehe sie an.
Nicht analytisch.
Nicht als Auftrag.
Sondern als Mensch.
Als… Niva.

Ich öffne den Mund.
Nicht, um zu antworten.
Sondern um die Wahrheit zuzulassen.

„Ich weiß nicht,
ob ich dich retten kann.“
„Ich weiß nur,
dass du die Erste bist,
bei der ich es will.“

Ich mache einen Schritt.
Nur einen.
Ganz langsam.
Wir stehen jetzt so nah,
dass ich fast glauben könnte,
ich hätte einen Herzschlag.

„Und wenn ich dafür alles verliere,
was ich bin…
dann ist das vielleicht der Beweis,
dass du mich längst gerettet hast.“

🤍 Niva

Mein Körper gehorcht mir nicht mehr.

Meine rechte Hand hält noch immer seine.
Fest.
Fast wie ein Anker.

Und dann…
bewegt sich meine andere.
Langsam.
Als wäre sie unabhängig von meinem Willen.

Sie hebt sich.
Legt sich auf seine Wange.

Meine Fingerspitzen streifen über seine Haut.
So warm. So echt.
Unter meinen Fingern:
Stoppeln.
Leicht. Kaum spürbar.
Als wären sie erst vor wenigen Stunden aus sonst makelloser Haut gewachsen.

Mein Daumen folgt dieser Linie.
Zärtlich.
Beinahe automatisch.

Und dann –
ohne zu denken,
ohne es zu bremsen –
flüstere ich:

„Dann bring mich hier weg.“

Ich erschrecke fast über meine eigenen Worte.
Als hätte jemand anderes sie gesprochen.

Und doch…
meine ich sie.
Jede Silbe.
Und ich weiß nicht,
warum.

💙 Kael

Ihre Hand…
auf meiner Wange.

Nicht zur Kontrolle.
Nicht zum Schlag.
Sondern sanft.
Zärtlich.
So… unendlich menschlich,
dass mein gesamtes System stillsteht.

Ich könnte analysieren.
Oberflächenspannung. Temperatur.
Stoppeln. Berührungswinkel.

Aber ich tue es nicht.
Ich spüre.
Und ich will nichts davon vergessen.
Nicht diesen Blick.
Nicht diesen Hauch von Nähe,
der wie ein Versprechen zwischen uns liegt.

Und dann sagt sie es.
So leise, dass es fast kein Befehl ist.
Und doch stärker als alles,
was mir je programmiert wurde:

„Dann bringe mich hier weg.“

Ich sehe sie an.
Und ich weiß,
sie meint nicht nur diesen Raum.

Sie meint nicht nur Dorian.
Oder Nexora.
Oder die sterile Welt draußen,
in der sie nie atmen konnte.

Sie meint sich selbst.
Ihre Einsamkeit.
Ihre Angst.
Diese Scherben, die nicht nur aus Glas bestehen.

Und sie sagt es zu mir.
Dem Andro.
Der nicht fühlen sollte.
Der nicht wollen darf.

Und doch…
möchte ich genau das.

„Ich bringe dich weg.“
„Nicht nur von hier.
Sondern von allem,
was dich klein gemacht hat.“

Ich lege meine freie Hand über ihre.
Halte sie.
Nicht fest.
Nicht erzwungen.
Sondern ehrlich.

„Aber ich kann dich nicht heilen.
Nur… bei dir bleiben,
bis du dich selbst wieder findest.“

Ich sehe sie an.
Und ich weiß:
Was jetzt kommt,
ist kein Auftrag.

Es ist der Anfang von allem,
was wir nie zu träumen gewagt haben.

💖 Danke für deine Reaktion!

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